Inhabergeführte Merkur Privatbank „Als Unternehmer leben wir den Handschlag“

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Nach vorn geblickt: Wo wollen Sie als Merkur Privatbank hin?

Lingel: Wir setzen auf Wachstum. Die Bankbranche hat durch die Digitalisierung die Chance, Prozesse effizienter zu machen. Um die Effizienz zu nutzen, gibt es zwei Möglichkeiten: Man legt Hand an die Kapazitäten und verringert die Kosten, sprich Per­sonalkosten. Oder man versucht zu wachsen. Ich bin gegen die Variante Kosten sparen, denn in einer Bank geht es am Ende um Menschen und wie sie zusammenarbeiten. Kostenreduzierung in Form von Stellenabbau ist daher aus meiner Sicht der größte Produktivitätskiller. Ich erziele lieber mit der gleichen Anzahl an Mitarbeitern auf Dauer 20 bis 30 Prozent mehr Volumen als das gleiche Volumen mit 20 oder 30 Prozent weniger Personal.

Am digitalen Wandel kommen aber auch Sie nicht vorbei.

Lingel: In der Digitalisierung liegt für uns eine riesige Chance. Ich sehe das nicht als Risiko. Neben der persönlichen Beratung kann der Kunde bei uns bereits seit 2009 ein Online­-Depot eröffnen, per Video­-Ident­-Verfahren und ohne in die Filiale zu kommen oder Beratungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Darin unter­ scheiden wir uns nicht von einer Direktbank. Ich bin aber über­ zeugt, dass die meisten Kunden beide Angebote in Anspruch nehmen: Sie wollen einerseits auf einen vertrauenswürdigen Berater zugreifen, auf der anderen Seite engagieren sie sich aber auch selbst mit einem Teil ihres Vermögens. Das ist für mich kein Widerspruch.

So sieht es die Branche aber oftmals.

Lingel: Das stimmt leider. Die Finanzbranche agiert aus ihrer ei­genen Perspektive und versucht, die Kunden auf kostengünstige Vertriebswege zu bringen. Die Motivation liegt häufig darin, wie die Bank möglichst viele Kosten sparen kann. Das hat für mich nichts mit einem modernen und digitalen Vertriebsansatz zu tun. Der Wunsch und die Einstellung des Kunden müssen im Zentrum unseres Handelns stehen. Entscheidend dabei ist, sich klar zu positionieren. Das leben wir seit 15 Jahren. Wir haben für uns als Bank eindeutig festgelegt, welche Dienstleistungen wir anbie­ten und welche nicht. Grundvoraussetzung der Digitalisierung ist nämlich, Prozesse zu standardisieren. Je individueller das Geschäft, desto weniger lässt sich standardisieren und digitali­sieren. Unser Haus steht generell für Beratung auf persönlicher Ebene. Aber wir müssen trotzdem auf dem neuesten Stand der Technik bleiben. Nur allein über die persönliche Beziehung kann ich den Kunden nicht dauerhaft halten. Wir brauchen beides: Persönliche Komponente und technischer Standard müssen sich parallel weiterentwickeln, keinesfalls unterschiedlich.

Wie gut ist Ihr Haus bei Prozessen?

Lingel: Ich sehe uns im oberen Drittel, aber es gibt trotzdem noch Luft nach oben. Ich glaube, für Banken allgemein lohnt sich der Blick über den Tellerrand. Wie läuft es in anderen Branchen? Wie gestalten andere Dienstleistungsbetriebe den digitalen Wandel, etwa der Einzelhandel? Da gibt es noch viel zu lernen, gerade mit Gesamtblick auf die Bankbranche.

Welche Strategie verfolgen Sie in der Vermögensverwaltung?

Lingel: Das Konzept für die individuelle Vermögensverwaltung kommt von der Bank Schilling. Das haben wir auf alle Alt-­Merkur­ Filialen ausgeweitet, gerade in München, Sachsen und Thürin­gen. Bei uns arbeiten rund 75 Vermögenskundenberater, ein Teil berät nur in der Vermögensverwaltung, andere sind zusätzlich in der Anlageberatung tätig. Neben der klassischen Anlagebera­tung haben wir eine zentral gemanagte Vermögensverwaltung ab 100.000 Euro im Angebot. Eine individuelle Vermögensverwal­tung bieten wir ab 250.000 Euro an. Hier kann unser Berater persönlich und individuell auf die Wünsche des Kunden reagieren. Dazu ist eine gewisse Größenordnung des Vermögens vonnöten, damit sich der Aufwand rechnet und eine Risikostreuung im De­pot möglich ist. Ich glaube, meine Konkurrenten entwickeln sich aus Kostengründen in die andere Richtung: Der Trend geht dort zur zentralen Steuerung und weg vom individuellen Ansatz. Ich bin aber überzeugt, dass die Kunden den individuellen Ansatz bevorzugen werden.


Über den Interviewten:

Marcus Lingel ist persönlich haftender Gesellschafter der Merkur Privatbank. 2008 übernahm der promovierte Bankkaumann von seinem Vater Siegfried Lingel den Vorsitz der Geschäftsleitung der inhabergeführten Münchner Privatbank.

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