Abgeschalteter Airbag Ist Tail-Risk-Management wirklich zu teuer?

Frank Schmielewski ist bei der RC Banken Gruppe für die Entwicklung innovativer Risikomanagementansätze zuständig

Frank Schmielewski ist bei der RC Banken Gruppe für die Entwicklung innovativer Risikomanagementansätze zuständig

Die kürzlich durchgeführte Umfrage der Allianz Global Investors unter institutionellen Anlegern offenbart, dass sich nur die Minderheit vor sogenannte Tail-Risiken schützt, da eine Versicherung gegen Extremereignisse entweder zu teuer ist oder es an entsprechenden Methoden fehlt. Paradoxerweise betrachten zwei Drittel der Befragten Extremrisiken seit der Finanzkrise 2007 mit wachsender Sorge.

Dies ist insofern wenig überraschend, als Tail-Risiken zumeist nicht einmal zuverlässig abgeschätzt werden. Eine potentielle Schadenshöhe als essentielles Element einer abzuschließenden Versicherung ist somit nicht einmal annähernd greifbar.

Es verwundert daher nicht, dass Versicherungen gegen derartige Extremereignisse kaum attraktiv sind und nur wenig vom Markt nachgefragt werden.

Gleichzeitig werden im Nachgang zu Finanzkrisen gern sogenannte Schwarze Schwäne herbeigerufen, um die erlittenen Schäden als unabwendbar zu rechtfertigen. Alles was nicht durch den Value-at-Risk (VaR) oder andere auf eine Normalverteilung der Tagesrenditen basierende Methoden prognostiziert wurde, gilt mithin als unvorhersehbar und damit unvermeidbar.

Unwissenheit ist ein Segen

Und genau dort liegt das Problem: Schwarze Schwäne werden durch die Finanzindustrie erst produziert, da sie mit den heute üblichen Methoden im Risikomanagement die Extremrisiken systematisch ausblendet, den Airbag abschaltet und dann die Marktteilnehmer immer wieder aufs Neue überrascht.

An diesem Dilemma sind auch die Aufsichtsbehörden maßgeblich beteiligt. Sie haben die Berechnung von Risikomaßen, die auf falschen Annahmen beruhen, schon vor Jahrzehnten aufsichtsrechtlich in Stein gemeißelt.

Interdisziplinäre Lernkurve

Anders gehen hier die Naturkatastrophenforscher vor: Sie konzentrieren sich ausschließlich auf die seltenen Ereignisse, die mit großen Schäden verbunden sind, wissen sie doch, dass es Sturmfluten sind, die als Tail-Risiko besonders zu fürchten sind.

Daher haben sie eine eigene Statistik entwickelt, um Tail-Risiken hinreichend abschätzen zu können. Warum also nicht diese bewährten Methoden auf die Abschätzung von Sturmfluten an den Finanzmärkten anwenden, um dann eine entsprechende Vorsorge zu treffen?

Die RC Banken Gruppe findet diese Idee nicht nur einleuchtend, sondern hat sie bereits vor einigen Jahren in der Praxis etabliert. Der extreme Value-at-Risk (eVaR) schätzt potentielle Extremrisiken mit hoher Genauigkeit, so wie es in der Naturkatastrophenforschung üblich ist.

Der eVaR liefert Anlegern eine verlässliche Vorstellung, wie stark und durch welche Instrumente sein Portfolio durch Extremrisiken bedroht ist. Und dies alles, ohne an falschen Annahmen hinsichtlich der Verlustverteilungen zu klammern oder auf Schwarze Schwäne verweisen zu müssen, wenn es einmal schiefgeht.

Das Schlimmste verhindern

So weit, so gut. Doch ein verlässliches Risikomaß ist erst die halbe Miete, denn eine wesentliche Frage stellt sich hinsichtlich der Einbindung des eVaR in den Investmentprozess, also in die Titelselektion und Portfoliokonstruktion.

Die eVaR-Konstrukteure sehen sich auch hier im Kreise der Naturkatastrophenforscher gut aufgehoben und versuchen, durch geeignete Frühwarnsysteme das Schlimmste zu verhindern.

Ein zeitnahes Monitoring von mehr als 10.000 Aktien weltweit offenbart, was viele vermuteten: Schon lange vor einem krisenhaften Einbruch an den Finanzmärkten steigt der eVaR koordiniert in einzelnen Regionen oder Sektoren an und kündigt den globalen Tsunami frühzeitig an. Von einem plötzlich und unerwartet auftretenden Schwarzen Schwan kann also überhaupt keine Rede sein.

Nach und nach wird in diesem Fall mit steigendem eVaR der Aktienanteil eVaR-gesteuerter Portfolios reduziert, so dass Anleger von massiven Drawdowns verschont bleiben, indem die verlustreichsten Börsentage keinen oder nur einen geringen Schaden im Depot des Investors anrichten.