Abgeltungsteuer, Share Deals und Soli Der Koalitionsvertrag aus Sicht von vermögenden Privatpersonen

Alexander Lehnen von der Kanzlei Arnecke Sibeth: Der Steuer- und Immobilienexperte hat die 3.870 Zeilen des Koalitionsvertrags von CDU/CSU und SPD untersucht.

Alexander Lehnen von der Kanzlei Arnecke Sibeth: Der Steuer- und Immobilienexperte hat die 3.870 Zeilen des Koalitionsvertrags von CDU/CSU und SPD untersucht. Foto: Arnecke Sibeth

Alexander Lehnen von der Wirtschaftskanzlei Arnecke Sibeth hat die 177 eng beschriebenen Seiten des Koalitionsvertrags auf relevante Vorhaben für Privat- und Family-Office-Investoren untersucht. Folgende Themenfelder hat er dabei zusammengetragen:

  • Abgeltungsteuer auf Zinserträge
    Hier haben wir es nicht mit einem echten Novum zu tun. Bereits der frühere Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte schon mal angekündigt, dass dieses Privileg spätestens ab 2019 wegfallen sollte. Insofern war diese Änderung absehbar. Begründet wird die Regelung damit, dass nun alle „Schäfchen“ aus der Schweiz und vergleichbaren Regionen heimgekehrt sind.

  • Grunderwerbsteuer: Share Deals
    Geplant ist die „Umsetzung einer effektiven und rechtssicheren gesetzlichen Regelung zur Beendigung missbräuchlicher Steuergestaltungen mittels Share Deals“. Die Idee dabei: Die gewonnenen Mehreinnahmen können von den Ländern zur Senkung der Steuersätze verwendet werden. Aktuell hat das Finanzministerium zwei Professoren mit der Prüfung der Verfassungskonformität der im Herbst 2016 entwickelten Varianten beauftragt. Mit einem Ergebnis rechnet man im Frühjahr 2018. Danach – so der Plan – soll das Gesetzgebungsverfahren beginnen. Dass hier eine Änderung kommt ist sehr wahrscheinlich.  Die genaue Gestaltung ist jedoch noch ungewiss. Die vorliegenden Pläne sehen entweder eine Absenkung der Schwelle des schädlichen Beteiligungserwerbs von 95 Prozent auf 75 Prozent (mit weiteren Voraussetzungen) oder eine anteilige Belastung je nach prozentualer Höhe des Anteilseignerwechsels vor. Ein weiterhin spannendes Thema für Immobilieninvestoren.

  • Grunderwerbsteuer: Freibetrag
    Für den erstmaligen Erwerb von Wohngrundstücken von Familien wurde angedacht, einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer einzuführen. Dies formulierte man allerdings nur als Prüfungsauftrag. Die materiellen Auswirkungen würden in den Länderfinanzausgleich einfließen. Daher ist die weitere Entwicklung hier sicherlich in Zusammenhang mit der oben genannten Entwicklung bei den Share Deals zu sehen, da das Steueraufkommen der Länder betroffen ist.

  • Einführung einer Finanztransaktionssteuer
    Eine Klage Großbritanniens gegen eine Einführung der Finanztransaktionssteuer in elf EU-Staaten wies der Europäische Gerichtshof am 30. April 2014 ab. Insofern wäre die Steuer nicht EU-rechtswidrig. Die Formulierung im Koalitionsvertrag lässt allerdings vermuten, dass diese nicht rein national, sondern nur gemeinsam auf europäischer Ebene eingeführt werden soll. Das könnte einige Zeit dauern.

  • Gemeinsame (konsolidierte) europäische Unternehmensbesteuerung
    Gemeinsam mit Frankreich sind Initiativen geplant, die eine Antwort auf internationale Veränderungen und Herausforderungen, vor allem in den USA, liefern sollen. Ziel ist eine gemeinsame Bemessungsgrundlage und die Einführung von Mindestsätzen bei den europäischen Unternehmenssteuern.  Dieses Thema ist nicht neu: Der erste Vorschlag hierzu stammt aus 2001, im Jahr 2016 wurden zwei EU-Richtlinien erlassen. Bei einer Einführung besteht die Gefahr, dass die Steuerstrukturierung über Drittstaaten erfolgt. Außerdem wird es zu einem Steuerwettbewerb innerhalb der EU kommen. Da die Regeln allerdings nur einstimmig durch alle 28 EU-Mitgliedsstaaten eingeführt werden können, ist eine Umsetzung nicht realistisch.

  • Solidaritätszuschlag: Einführung einer Freigrenze
    Ab 2021 soll der Zuschlag durch Einführung einer Freigrenze langsam reduziert werden. Genaue Werte und Grenzen sind allerdings noch nicht bekannt. Angeblich betrifft die Befreiung 90 Prozent der Steuerpflichtigen. Das Entlastungsvolumen wird auf jährlich 10 Milliarden Euro geschätzt.

  • Mehr Anreize für Wagniskapital
    Die Gründungskultur soll verbessert werden. Geplant sind steuerliche Anreize für die Mobilisierung von Wagniskapital, unter anderem eine Umsatzsteuerbefreiung für die ersten beiden Jahre. Außerdem soll eine Entbürokratisierung durch einen „One-Stop-Shop“ für Antrags-, Genehmigungs- und Besteuerungsverfahren bei Investments etwaige Gründungen erleichtern. Ob diese beiden Maßnahmen tatsächlich die Venture-Capital-Kultur in Deutschland verbessern bleibt abzuwarten.

  • Förderung von Wohnungsneubau
    Der Bau von neuem Wohnraum soll durch eine steuerliche Sonderabschreibung zeitlich begrenzt gefördert werden. Geplant ist die Einführung einer bis Ende des Jahres 2021 befristeten Sonderabschreibung. Diese soll zusätzlich zur linearen Abschreibung über vier Jahre 5 Prozent pro Jahr betragen. Der hierdurch entstehende Steuervorteil könnte die Kalkulation von Investoren verbessern, und das Dilemma der hohen Grundstückspreise in den letzten Jahren etwas ausgleichen. Gleichzeitig sind allerdings die Verkaufspreise für Eigentumswohnungen aufgrund der Niedrigzinsphase in den letzten Jahren deutlich mehr gestiegen als die Mietpreise. Daher muss man nun einmal sehen,  ob diese Maßnahme die Schaffung von neuem Mietwohnraum wirklich fördert.

 


Über den Autor:
Alexander Lehnen ist Partner bei der Kanzlei Arnecke Sibeth, deren Praxisgruppe Real Estate aus rund 50 Rechtanwälten besteht. Zuvor war er der Geschäftsführer von Crowe Kleeberg Real Estate, einer Beratungsgesellschaft mit dem Fokus auf die mittelständische Immobilienwirtschaft in Deutschland. Lehnen ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und auf die steuerliche Strukturierung von Immobilieninvestitionen sowie die steuerliche und aufsichtsrechtliche Fondsstrukturierung spezialisiert.

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