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Portfolio-Allokation Comeback von 60/40?

Börsenhändler in New York: 60/40-Portfolios haben schon bessere Zeiten gesehen – das letzte Jahr war ihr schwächstes seit 2008.

Börsenhändler in New York: 60/40-Portfolios haben schon bessere Zeiten gesehen – das letzte Jahr war ihr schwächstes seit 2008. Foto: Imago Images / Xinhua

Julie Dickson, Capital Group

Das 60/40-Portfolio – 60 Prozent Aktien, 40 Prozent Anleihen – ist ein echter Klassiker. Erfunden wurde es 1952 vom späteren Wirtschaftsnobelpreisträger Harry Markowitz mit einem klaren Ziel: Anlageertrag bei einem Risiko unter dem von Aktien. In schwierigen Zeiten soll der Anleihenteil fallende Aktienkurse abfedern. 

Das für 60/40 sehr enttäuschende Jahr 2022 ließ aber Zweifel aufkommen. Internationale Aktien gaben letztes Jahr kräftig nach; der MSCI All Country World Index (Net Dividends Reinvested) verlor 18,4 Prozent. Aber der Anleihenteil glich das keineswegs aus, im Gegenteil: Der Bloomberg Global Aggregate Total Return Index verlor 16,2 Prozent (beide Angaben mit Stand vom 31. Dezember 2022, Erträge in US-Dollar, Quelle: Datastream). 

 

In den Jahren nach der globalen Finanzkrise waren Inflation und Zinsen niedrig, ergänzt um ein wiederholtes Quantitative Easing. 2022 änderte sich das drastisch. Inflation und Zinsen stiegen kräftig, und man fürchtete eine Rezession in den USA und Europa. Eine hohe Inflation fällt oft mit einer engen Korrelation zwischen Aktien und Anleihen zusammen. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass bei einer steigenden Teuerung auch die Inflationserwartungen unsicherer werden. Für Anleihen könnten dann höhere Risikoprämien verlangt werden, sodass ihre Kurse fallen. Hohe Inflation und hohe Anleihenrenditen führen aber auch zu höheren Diskontfaktoren für die zukünftigen Unternehmensgewinne, was wiederum den Aktienkursen schadet.

Grafik 1: Höhere Korrelation zwischen internationalen Aktien und Anleihen

Als die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen 2022 auf den höchsten Wert seit über 20 Jahren stieg, war die Performance von 60/40 daher schwach. Schließlich ist die unterschiedliche Entwicklung von Aktien und Anleihen eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg dieses Konzepts. 2022 hätte man mit einem hypothetischen Portfolio aus 60 Prozent MSCI All Country World Index (Net Dividends Reinvested) und 40 Prozent Bloomberg Global Aggregate Total Return Index 17,3 Prozent verloren – das schwächste Jahresergebnis seit dem Ende der internationalen Finanzkrise 2008 (vgl. Grafik 2).

Das Jahr 2022 war für 60/40-Portfolios alles andere als einfach. Weil aber die Geldpolitik unsicher bleibt, die Weltkonjunktur nachlässt, in der Ukraine weiter Krieg geführt wird und Substanzwerte Wachstumswerte von der Spitze verdrängt haben, brauchen Investoren ein konservativeres Risikoprofil. Sie suchen Anlagelösungen mit langfristigem Kurspotenzial, aber auch Kapitalschutz und laufenden Ertrag. Wir glauben, dass 60/40-Portfolios genau das bieten. Ein einzelnes schwaches Jahr ist kein Grund, an ihren langfristigen Stärken zu zweifeln. Betrachten wir deshalb ein hypothetisches 60/40-Portfolio über einen längeren Zeitraum. Die Wertentwicklung war fast immer solide. In 15 der letzten 20 Kalenderjahre lag es im Plus, und in den fünf Verlustjahren war das Minus nur zweimal zweistellig (2008 und 2022). Das zeigt, wie krisenfest 60/40 auf Dauer ist.

Grafik 2: Auf schwächere Jahre für 60/40 folgten meist Gewinne

Die Analyse des hypothetischen Portfolios hat auch gezeigt, dass auf Jahre mit Verlusten meist Jahre mit hohen Gewinnen folgen. Auch deshalb sollten Anleger wieder über 60/40 nachdenken, statt sich übermäßige Sorgen zu machen. Das Investmentumfeld und andere portfoliorelevante Faktoren können sich von Jahr zu Jahr stark ändern. 2023 und danach scheinen uns vor allem drei Faktoren gut für 60/40 zu sein.

1.  Inflationsmaximum und Normalisierung der Korrelationen 

Wenn die zuletzt so hohe Inflation wieder fällt, könnten sich die Korrelationen zwischen internationalen Aktien und internationalen Anleihen wieder normalisieren. Die US-Inflation ist bereits gefallen, und die Fed hat auf ihrer Offenmarktausschusssitzung im Dezember 2022 den Leitzins nur noch um 50 Basispunkte angehoben. Vorausgegangen waren viermal 75 Basispunkte. Wenn die Inflation weiter fällt, wird die Fed die Zinserhöhungen wohl weiter verlangsamen. Qualitätsanleihen könnten dann recht stabil sein und höheren Ertrag bieten. Eine geringere Inflation wäre aber auch gut für Aktien. Wenn die Kapitalkosten fallen, steigen die Gewinnmargen, und auch die Umsätze könnten zulegen. Die Unternehmensgewinne würden dann wieder stärker steigen, wenn auch vermutlich mit großen Unterschieden zwischen den einzelnen Sektoren.

Grafik 3: Verbraucherpreise in Prozent zum Vorjahr

 

2. Jede Rezession ist irgendwann vorbei

Um die Inflation einzudämmen, müssen die Zinsen erhöht werden. Irgendwann kann die straffere Geldpolitik aber der Wirtschaft schaden. Zurzeit scheinen die Herausforderungen groß: Europa dürfte sich schon in der Rezession befinden, auch weil der Krieg in der Ukraine der Wirtschaft schadet. Chinas Wachstum stagniert wegen der so lange nicht enden wollenden Null-Covid-Politik, die gerade erst aufgehoben wurde. Und die USA mögen zwar vergleichsweise gut dastehen, aber auch hier droht ein Abschwung. Rezessionen sind nicht schön. Aber sie sind nötig, um die Übertreibungen früherer Wachstumsphasen zu korrigieren, vor allem, wenn sie so lange dauern wie in den letzten zehn Jahren. Ein anderer Lichtblick könnte sein, dass Rezessionen meist nie wirklich lange dauern. Nach unserer Analyse der elf amerikanischen Konjunkturzyklen seit 1950 waren sie nach zwei bis 18 Monaten vorbei, mit einem Durchschnitt von etwa zehn Monaten.
Außerdem erholen sich Aktien meist schon, bevor die Rezession vorbei ist. Sie waren ja auch schon gefallen, bevor die Konjunktur nachließ. Fast alle großen Aktienmärkte befanden sich spätestens Mitte 2022 in der Baisse. Und wenn sich die Geschichte wiederholt, könnten sie bereits gut sechs Monate vor Beginn der Konjunkturerholung wieder steigen.

Grafik 4: Aktien waren meist ein Frühindikator für die Konjunktur

 

3. Rückkehr der Rendite

Die hohe Inflation und die starken Zinserhöhungen der Fed haben es Anleiheninvestoren 2022 nicht leicht gemacht. Sie könnten aber in Zukunft für höhere Erträge sorgen. Im Oktober 2022 stieg die US-Zehnjahresrendite auf 4,27 Prozent, so viel wie seit Juni 2008 nicht mehr. Als die Anleihenkurse fielen, stiegen in allen Sektoren die Renditen und damit die späteren Erträge. Der Gesamtertrag einer Anleihe ist die Summe aus Kursveränderung und der jetzt sehr viel höheren Rendite. Weil Anleihen wieder Rendite bieten, wird die Assetklasse wieder interessant. Ein Renditeniveau wie heute hat in der Vergangenheit in den folgenden Jahren Erträge ermöglicht. Das verdeutlicht die folgende Abbildung. Sie zeigt den durchschnittlichen Fünfjahresertrag p.a. bei einem Renditeniveau wie heute.

 

Grafik 5: Attraktive Erträge bei Renditen auf dem heutigen Niveau

Grundsätzlich können Investoren bei höheren Renditen höhere laufende Anleihenerträge erzielen. Das könnte auch dem Gesamtertrag nutzen, selbst wenn die Kurse volatil bleiben. Einem aktiven Manager bietet ein solches Marktumfeld vielfältige Chancen. Aber man muss wählerisch sein. Auch bei Aktien könnten die laufenden Erträge wieder wichtiger werden. Durch den Führungswechsel am Markt im letzten Jahr, von Wachstumswerten zu Substanzwerten, spielen die Dividenden wieder eine wichtigere Rolle. In den 2010ern hatten sie nur 16 Prozent Anteil am Gesamtertrag des S&P 500 Index. Langfristig betrug ihr Anteil aber durchschnittlich 38 Prozent, und während der Hochinflationsphase in den 1970ern waren es sogar über 70 Prozent. Wenn das Wachstum nachlässt, die Kapitalkosten steigen und die Bewertungen weniger rentabler Unternehmen zurückgehen, könnten Dividenden wieder zu einer wichtigeren und stabileren Ertragskomponente werden.

Grafik 6: Dividenden könnten wieder einen größeren Teil der Erträge ausmachen

Auch die Neubewertung vieler traditioneller Wachstumssektoren – Software, soziale Medien, digitaler Zahlungsverkehr und Halbleiter – könnte einzelwertorientierten Investoren Chancen bieten. Man muss Unternehmen finden, die mit dem neuen Umfeld zurechtkommen – mit höheren Zinsen, knapperem Kapital, veränderten Lieferketten und höheren Arbeitskosten.

 

 

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