25 Jahre Deutsche Einheit Was Europa von der deutschen Wiedervereinigung lernen kann

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Ganz anders das Bild in der DDR: Aufgrund der staatlichen Arbeitsplatzgarantie herrschte zwar offiziell Vollbeschäftigung, doch die verdeckte Arbeitslosigkeit lag Schätzungen des ifo-Instituts zufolge bei bis zu 30 Prozent. Die Produktivität war gering, Das Pro-Kopf-Einkommen der ostdeutschen Bevölkerung lag bei gerademal rund 30 Prozent des West-Niveaus.

Die Unternehmen waren marode, das ganze System ineffizient. Zudem war die DDR-Wirtschaft praktisch nicht in die Weltwirtschaft integriert. Mit dem Zerfall der Sowjetunion und des Ostblocks brach auch noch die einzig nennenswerte Handelsbeziehung zu den anderen sozialistischen Ländern Osteuropas weg.

Schock für die ostdeutsche Wirtschaft

Die politische Wende war ein regelrechter Schock für die ostdeutsche Wirtschaft. Praktisch über Nacht musste eine am Boden liegende sozialistische Planwirtschaft in die marktwirtschaftlich geprägte westliche Wettbewerbswelt integriert werden. Neben der neuen Währung bekam die ehemalige DDR mit der Wirtschafts- und Sozialunion auch das gesamte deutsche Steuer- und Sozialsystem übergestülpt.

Schon für die alte Bundesrepublik war der Sozialstaat Ende der 1980er Jahre eigentlich zu weit ausgebaut und hätte zurückgestutzt werden müssen. Nun wurde dieses zu hohe Leistungsniveau bei Sozialhilfe, Arbeitslosenunterstützung und Rente auf Ostdeutschland ausgeweitet, ohne dass die ostdeutsche Bevölkerung auch nur ansatzweise in der Lage gewesen wäre, das Niveau der sozialen Sicherung selbst zu erwirtschaften.

Schlimmer noch: Durch das Niveau der Sozialhilfe und der Arbeitslosenunterstützung wurde in den neuen Bundesländern ein faktischer Mindestlohn eingeführt. Die Wiedervereinigung verursachte im Ergebnis zunächst einmal eine sehr schmerzliche Anpassung, die mit blühenden Landschaften wenig zu tun hatte.

Die Industrieproduktion brach um rund zwei Drittel ein, die Lohnkosten explodierten, wodurch die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland auf über 15 Prozent stieg. Angesichts dieser drastischen Rückschläge musste der Aufbau Ost (und der damit verbundene Nachfrageboom) durch erhebliche West-Ost-Transfers finanziert werden.

Im Zeitraum von 1991 bis 1999 erhielten die ostdeutschen Bundesländer Nettotransfers in Höhe von gut 600 Milliarden Euro. Auch in den folgenden Jahren lag das Volumen der West-Ost-Transfers bei rund 80 Milliarden Euro pro Jahr. Insgesamt haben sich die Transfergelder inzwischen auf bis zu zwei Billionen Euro summiert.

Eine besondere Herausforderung war die Privatisierung der ostdeutschen Unternehmen, die sich nun urplötzlich im internationalen Wettbewerb bewähren sollten. Als die Treuhandanstalt ihre Arbeit am 31. Dezember 1994 beendete, hatte sie über 15.000 Unternehmen und damit praktisch eine ganze Volkswirtschaft privatisiert.

Trotz aller Kritik an der Arbeit der Treuhand kann das Ergebnis als Erfolg gewertet werden. Die politische und wirtschaftliche Dynamik der Wende ließ keine realistische generelle Alternative zum Vorgehen der Treuhand zu.

Das wiedervereinigte Deutschland: Sonderweg in Europa

Der Aufbau Ost war in Deutschland nach 1990 für viele Jahre das alles überschattende Thema. Die Integration der ehemaligen DDR in die Wirtschaftsordnung der alten Bundesrepublik absorbierte jahrelang erhebliche administrative und wirtschaftspolitische Ressourcen. Strukturreformen, die auch im Westen Deutschlands dringend nötig gewesen wären, wurden auf die lange Bank geschoben.

Während Deutschland also primär mit sich selbst beschäftigt war, machten sich viele andere Länder in Europa fit für die Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung. Die Konvergenzkriterien zwangen die potenziellen Euro-Teilnehmerländer zur Konsolidierung ihrer Staatsfinanzen.

Während diese Länder ihre Haushaltsdefizite und Staatsschulden zurückführten, musste Deutschland die Kosten der Wiedervereinigung bewältigen und tat dies zu einem guten Teil über neue Schulden (Abbildung 1).













































Schuldenstand Deutschland


Mit dem Euro kam auch die große europäische Zinskonvergenz (Abbildung 2). Die Zinsen der Staatsanleihen, die zuvor mehrere Prozentpunkte über den Zinsen vergleichbarer Bundesanleihen lagen, sanken nun auf das deutsche Niveau. Alle Euro-Teilnehmer konnten sich fortan – zumindest bis zum Ausbruch der Eurokrise – an den Kapitalmärkten praktisch genauso günstig finanzieren, wie es bis dahin nur Deutschland möglich war.

Für den Rest der Eurozone gab dies einen kräftigen Konjunkturschub. Zur gleichen Zeit schleppte Deutschland die finanziellen Folgen der Wiedervereinigung mit sich herum und das Wachstum erlahmte. Mini-Wachstum, steigende Arbeitslosigkeit, hohe Haushaltsdefizite, Reformstau – so wurde Deutschland zum „kranken Mann Europas“.































Renditen 2-jähriger Staatsanleihen