25 Jahre Deutsche Einheit Was Europa von der deutschen Wiedervereinigung lernen kann

Jörn Quitzau ist Volkswirt bei der Berenberg Bank

Jörn Quitzau ist Volkswirt bei der Berenberg Bank

Als die Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 Realität wurde, schlug auch die Stunde der Prognostiker. Wie lange würde es dauern, bis Ostdeutschlands Wirtschaft die Folgen von 40 Jahren Sozialismus abgeschüttelt hat? Und wie lange würde es dauern, bis der Lebensstandard der ostdeutschen Bevölkerung westdeutsches Niveau erreicht? Die Meinungen darüber gingen weit auseinander.

Das Lager der Optimisten wurde angeführt von Bundeskanzler Helmut Kohl, der den fünf neuen Bundesländern wirtschaftlich schon bald „blühende Landschaften“ in Aussicht stellte. Der Aufbau Ost sollte etwa eine halbe Dekade dauern. Nicht nur Politiker, auch einige Ökonomen hielten einen derart schnellen Aufholprozess für möglich.

Auf der anderen Seite gab es aber auch eine Reihe von Ökonomen, die für das wiedervereinigte Deutschland einen sehr langwierigen Anpassungsprozess prognostizierten. Forscher, die sich auf die Analyse wirtschaftlicher Aufhol- und Anpassungsprozesse spezialisiert hatten, warnten vor übertriebenem Optimismus, denn die Erfahrung ließ vermuten, dass eine Angleichung von Ost und West eher mehrere Jahrzehnte als lediglich mehrere Jahre dauern würde.

25 Jahre später sind die gewaltigen Fortschritte beim Aufbau Ost unübersehbar. Gemessen am maroden Zustand der Wirtschaft zum Ende der DDR sind die versprochenen blühenden Landschaften in Ostdeutschland heute Realität – auch wenn alles länger gedauert hat als von den Optimisten erwartet.

Die ehemalige Präsidentin der Treuhandanstalt, Birgit Breuel, bezeichnete die Einführung marktwirtschaftlicher Verhältnisse in der DDR trotz aller Schwierigkeiten und Fehler als „beispiellos in der Weltgeschichte“. Abgeschlossen ist der wirtschaftliche Anpassungsprozess aber noch lange nicht.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie kommt das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung zu dem Ergebnis, dass auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung die alte Grenze in vielen Bereichen noch sichtbar ist – etwa bei der Wirtschaftskraft, der Bevölkerungsentwicklung, den Vermögen oder bei der Größe der landwirtschaftlichen Betriebe.

1990: Zusammenprall der Systeme

Ob der jetzt erreichte Status quo als wirtschaftspolitischer Erfolg eingestuft werden kann, erfordert einen Blick zurück in das Jahr der Wiedervereinigung. Damals trafen nicht bloß zwei Teile eines getrennten Landes aufeinander, es prallten zwei Systeme aufeinander, die gegensätzlicher kaum hätten sein können.

Dies gilt in politischer, gesellschaftlicher und in ökonomischer Hinsicht. Die Bevölkerung der ehemaligen DDR war von einem planwirtschaftlich-sozialistischen System geprägt, das nur deshalb so lange mehr schlecht als recht funktionieren konnte, weil das Volk von Mauern und Grenzzäunen im eigenen Land eingesperrt war.

Ohne die unüberwindbare Landesgrenze zum Westen hätten große Teile der ost-deutschen Bevölkerung schon viel früher „mit den Füßen abgestimmt“ und dem sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell den Rücken gekehrt. So aber wurde das sozialistische Experiment durchexerziert, bis der Zusammenbruch nicht mehr abzuwenden war.

Der Mauerfall im November 1989 war politisch ein Glücksfall, doch ökonomisch sollte zwischen Ost und West rein gar nichts zusammenpassen. Denn die alte Bundesrepublik hatte das Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre erlebt und gehörte mit ihrem Modell der sozialen Marktwirtschaft inzwischen zu den führenden Wirtschaftsmächten der Welt. Die westdeutsche Wirtschaft war hochproduktiv, wettbewerbsfähig, exportstark und sie hatte der Bevölkerung großen Wohlstand mit für ostdeutsche Bürger unvorstellbaren Konsummöglichkeiten beschert.