Kapitalmarktausblick von Union Investment „2022 wird Europa beim Wachstum auf Augenhöhe mit China liegen“

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Insgesamt bleibt das Kapitalmarktumfeld damit positiv. Aber: Die Herausforderungen nehmen zu. „Der Punkt der maximalen Konjunkturbeschleunigung dürfte im Spätsommer erreicht sein“, denkt Wilhelm. „Danach geht es mit der Wirtschaft zwar immer noch aufwärts, aber das Tempo wird nachlassen.“ Hinzu kommen die vermehrt zu erwartenden Diskussionen über Inflation und geldpolitische Straffung. „Beides wird auf den Bewertungen lasten“, ist er überzeugt. Daher gewinnen die taktische Steuerung und die Titelauswahl für die Geldanlage an Bedeutung.

Besonders aussichtsreich sind nach Einschätzung Wilhelms weiter Aktien. „Die Ertragskraft der Unternehmen ist ungebrochen. Wir erwarten einen weiteren Gewinnanstieg von 15 bis 20 Prozent bis Jahresende.“ Die hohe Profitabilität wirkt damit auch dem Druck auf die Bewertungsniveaus entgegen und ermöglicht weitere Kursanstiege. Beim DAX hält Wilhelm neue Allzeithochs für möglich und rechnet bis zum Jahresende mit 16.200 Punkten. Mit leichten Vorteilen sieht er dabei aktuell vor allem substanzstarke Titel (Value) und zyklische Werte wie Banken oder Energieunternehmen.

Starker Treiber für Aktien waren zuletzt die Anleihemärkte. Höhere Renditen wirken dabei belastend, denn die zukünftigen Zahlungsströme der Unternehmen sind dann in heutiger Kaufkraft weniger wert. Besonders Wachstumstitel, deren Gewinne zeitlich weiter in der Ferne liegen, wurden von diesem Effekt getroffen. Hier gibt Wilhelm vorläufig Entwarnung: „Die Renditen werden bis zum Jahresende kaum noch steigen.“ Bei US-Treasuries mit zehnjähriger Laufzeit rechnet er mit 1,9 Prozent zum Jahresende, bei laufzeitengleichen deutschen Bundesanleihen dürfte der Wert bei -0,1 Prozent liegen.

In den Vereinigten Staaten ist dabei zwar angesichts der großen Haushaltsdefizite das Netto-Angebot an Staatsanleihen groß. Gleichzeitig sind Investments durch die steile Zinsstrukturkurve und die damit einhergehende Möglichkeit zur Vereinnahmung der Rollrendite, aber für viele Anleger wieder attraktiv, selbst unter Berücksichtigung von Währungsabsicherungen. Das begrenzt das Potenzial für Zinsanstiege. Bei deutschen Staatsanleihen hingegen ist das Netto-Angebot nach Berücksichtigung der Anleihekäufe der EZB negativ. „Die Knappheit wirkt höheren Renditen bei Bunds entgegen“, sagt Wilhelm.




Unternehmensanleihen hält er nach wie vor für interessant, trotz eher gesunkener Ertragspotenziale. Gleichzeitig rechnet er nicht mit einem breiten Anstieg von Firmeninsolvenzen. „Die große Pleitewelle bleibt nach unseren Berechnungen aus, auch wenn es auf Sektor- und Unternehmensebene durchaus zu Problemen kommen kann.“ Er rät eher zu höherrentierlichen Anleihen („High Yield“) denn zu risikoärmeren Ratingklassen, da hier eine höhere Risikoprämie vereinnahmt werden kann.

Bei Staatsanleihen aus den aufstrebenden Volkswirtschaften („Emerging Markets“) empfiehlt er ebenfalls ein selektives Vorgehen. Während einige Schwellenländer wie Indien auch wirtschaftlich nach wie vor schwer unter der Corona-Pandemie leiden, haben andere wie Indonesien oder Russland nicht zuletzt vom jüngsten Boom bei den Rohstoffen profitiert. „Chancen und Risiken halten sich bei den Emerging Markets die Waage“, urteilt Wilhelm.

Mit Blick auf Rohstoffe selbst erwartet er weiter eine gute Entwicklung. Insbesondere Energie hält er für aussichtsreich und rechnet zum Jahresende mit einem Preis von 70 US-Dollar je Fass der Nordseesorte Brent. Daneben sprechen strukturelle Trends wie die Elektrifizierung und Dekarbonisierung der Wirtschaft für Industriemetalle wie Kupfer oder Aluminium.

„Im Übergang zur post-pandemischen Phase sollten Anleger besser selektiv auf Aktien, Unternehmensanleihen mit Renditeaufschlag und zyklische Rohstoffe setzen,“ fasst Wilhelm seine Empfehlungen zusammen. Zudem rät er, die vorhandenen Performancechancen mittels Taktik und Titelselektion zu nutzen: „Im Nach-Corona-Zeitalter gehört zu einem ausgewogenen Portfolio neben Stabilitätsankern wie der Immobilie unbedingt auch ein größerer Chancenteil.“ Insbesondere die langfristigen Trends bieten seiner Einschätzung nach erhebliche Renditepotenziale. „Corona hat den Umbau zu digitalen, nachhaltigen Volkswirtschaften weiter beschleunigt. Darin stecken erhebliche Anlagechancen.“.

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