20 Jahre VuV „Die Bürokratie für Vermögensverwalter ist grotesk“

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Seit 1997 begleitet der VuV seine Mitglieder. Bewerten Sie doch mal die Ereignisse der vergangenen 20 Jahre: … den Dax- Anstieg von 2.500 Punkten bei Gründung des VuV auf heute rund 13.000 Zähler.

Martin Wiegelmann: Ich kann mich noch sehr gut an die Einführung des Dax bei Werten von über 1.000 Punkten erinnern. Damals hätten wir uns keinen Stand von 12.500 Punkten vorstellen können (lacht). Ich bin davon überzeugt, dass die deutsche Wirtschaft innovativ genug ist, um in geeigneter Weise mit den Herausforderungen der Zukunft umzugehen, und der Dax seine Erfolgsgeschichte fortführen wird.

… die Entwicklung des Finanzwissens der Deutschen durch Dotcom-Blase, die Aufschwungsjahre 2003 bis 2007, Zertifikate- Hype, Finanzkrise sowie die folgenden acht Hausse-Jahre trotz Schuldenkrise.

Grünewald: Die Börse ist keine Einbahnstraße. Neue Einflüsse, Krisen und Ideen strömen links und rechts ein. Es gab Aufs und Abs. Langfristig betrachtet sieht man aber, dass sich Substanzwerte eben doch durchsetzen. Letztendlich entspricht der erwähnte Anstieg im Dax der langfristig durchschnittlichen Aktien-Performance von etwa 7 bis 8 Prozent pro Jahr. Ein weiterer Beleg dafür, dass wir die Aktienkultur und ökonomische Bildung insgesamt nach vorn bringen müssen, damit mehr Anleger hieran teilhaben.

… die sogenannte neue Normalität.

Grünewald: Ich bin skeptisch bezüglich dieses aufgekommenen Begriffs. Ist heute alles anders als früher? Ich sehe eine Welt vor mir, die an vielen Stellen besser ist als allgemein angenommen. Viel bedeutsamer als Aufsehen erregende Einzelereignisse, über die medial breit berichtet wird, ist für den Anleger der Blick auf das Gesamtbild. Vieles auf der Welt verläuft normal oder gar gut, aber damit auch unspektakulär, weshalb leider viel zu wenig über diese Normalität berichtet wird.

… den Aufstieg von Flossbach von Storch von einem klassischen Vermögensverwalter zu einer Fondsgesellschaft.

Grünewald: Für diese unternehmerische Entscheidung gibt es auch unter dem Blickwinkel der Regulatorik und aus Effizienzgesichtspunkten gute Gründe.

… die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen und den Phoenix-Fall.

Wiegelmann: Ein klarer Konstruktionsfehler, da die unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Finanzdienstleister in einen Entschädigungstopf geworfen wurden, und die somit für verschiedene Schadenfälle haften müssen. Dass dies zu Streit in der Solidargemeinschaft führen musste, war abzusehen. Wir als Finanzportfolioverwalter dürfen keine Kundengelder annehmen, ein Schadenfall in der Phoenix-Dimension ist von daher schwer vorstellbar.

… den aktuellen Zustand der deutschen Vermögensverwalter-Branche.

Grünewald: Wie ein gesunder Sportler im besten Alter, dem man aber für die olympischen Sommerspiele mit Mifid II eine viel zu dicke Winterjacke zu Handschuhen und schweren Stiefeln angezogen hat. Nicht etwa, um ihn vor der Kälte zu schützen, sondern symbolisch gesprochen als schwere Last, die der Regulator den Instituten auferlegt. Wir würden unserer Arbeit gern in einem leichten und flexiblen Sportanzug nachgehen, um somit im Interesse der Kunden die Erfolgschancen zu erhöhen.

… Mifid I und Mifid II und deren Folgen für Vermögensverwalter. Welche Richtlinie ist die schlimmere?

Wiegelmann: Mifid I bezog sich in erster Linie auf den Vermögensverwaltungsvertrag und die Anlagen, beispielsweise durch die Ausführungsgrundsätze zu Best Execution und Interessenskonflikten. Die Richtlinie konnte man gut nachvollziehen und vor allen Dingen auch ihre Zielsetzung verstehen. Mifid II hingegen produziert bergeweise Papier, ausgelöst durch eine Vielzahl von gesetzlichen Regelungen in EU-Verordnungen und -Richtlinien sowie nationalen Gesetzen, ergänzt um weitere Papiere wie Q&As. Letztere liegen zumeist nur in englischer Sprache vor, was ich sehr erstaunlich finde. Das ganze Regelwerk ist vollkommen unübersichtlich und für einen juristischen Laien nicht mehr nachzuvollziehen. Zudem gibt es noch eine Reihe von offenen Fragen. Gewiss, so manche Anforderung ist sinnvoll, aber der europäische und der nationale Gesetzgeber müssen sich die Frage gefallen lassen, wie die von Mifid II beabsichtigte höhere Transparenz tatsächlich erreicht werden soll, wenn der Kunde bei den vielen Dokumenten, die er von Finanzdienstleistungsunternehmen und Banken erhält, vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht. Der Kunde dürfte sich in vielen Fällen überfordert fühlen.