Private Banking in der Schweiz „Profillose Vermögensverwaltung ist endgültig passé“

Roger Gut, Chef von Invensys Asset Management in Lugano

Roger Gut, Chef von Invensys Asset Management in Lugano

private banking magazin.de: Herr Gut, Anfang Mai stimmte die Schweizer Regierung der Deklaration der OECD zu und bekräftigte damit Ihre Absicht, ab 2017 am automatischen Informationsaustausch in Steuerfragen (AIA) teilzunehmen. Ist das das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses?

Roger Gut: Nun, wer sein Einkommen vollständig deklariert und versteuert, kann sich auch weiterhin auf die absolute Diskretion der Schweizer Banken und Vermögensverwalter verlassen. Diese politische Absichtserklärung unterstreicht aber die konsequente „Weißgeld“-Strategie der Schweizer Regierung, um das Image der Steueroase endgültig abzulegen. Bis spätestens Ende 2015 sollen alle ausländischen Kunden ihre Vermögen deklariert und dies gegenüber ihren Schweizer Banken glaubhaft nachgewiesen haben, ansonsten droht die Schließung der Konten.

In keinem anderen Land der Welt werden mehr ausländische Vermögen verwaltet, als in der Schweiz. Zuletzt waren es rund 2.200 Milliarden US-Dollar. Kommt es nun zu einer massiven Kapitalflucht? Wird der Finanzplatz Schweiz mittelfristig austrocknen?

Einige Pessimisten malen solche Schreckensszenarien und prophezeien einen massiven Rückgang der verwalteten Vermögen. So sei der Anteil der Schweizer Vermögensverwalter an den weltweit grenzüberschreitend verwalteten Vermögen bereits gesunken. Die Schweizer Bankenvereinigung prognostiziert dagegen bis 2017 nur einen geringfügig kleineren Anteil.

Ich glaube, bei allen Vorurteilen über die Schweiz als Steueroase für reiche Ausländer, darf man nicht vergessen, dass noch ganz andere Argumente für den Finanzplatz Schweiz sprechen.

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Welche Argumente wären das? Warum sollten Vermögende Ihr Kapital heutzutage noch in der Schweiz verwalten lassen?

Da wäre zunächst einmal der Schweizer Franken. Die unabhängige Währung sorgt dafür, dass die Schweiz von der Eurokrise nicht direkt betroffen ist. Mit der Einführung des Euro gibt es ja kaum noch Möglichkeiten zur Währungsdiversifikation. Dadurch gewann der Schweizer Franken im internationalen Finanzgeschäft stark an Bedeutung – insbesondere während der Euro-Krise.

Aber auch die konsequente, auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik und die politische wie wirtschaftliche Unabhängigkeit und Stabilität der Schweiz sorgen für günstige Rahmenbedingungen.

Es ist aber mehr als dieses förderliche Umfeld: Vermögensverwaltung hat in der Schweiz eine lange Tradition von mehr als 250 Jahren. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten wurde eine enorme Kompetenz im Asset Management aufgebaut.

Woran machen Sie diese fest? Können Sie Beispiele nennen?

Selbstverständlich, nehmen Sie den Bereich „Strukturierte Produkte“: Diese haben sich bereits seit Jahren als flexible Anlageinstrumente bewährt und etabliert. Mit über 20 verschiedenen Produkttypen beweist der Schweizer Finanzplatz hier eine besondere Innovationskraft. Übrigens auch im Sinne einer stärkeren Sicherheitsorientierung: So wurde etwa mit der Einführung von COSI-Produkten (Collateral Secured Instruments) ein wirksamer Mechanismus zur Reduzierung des Emittentenrisikos geschaffen.

Ein anderes Beispiel ist der Rohstoffhandel: Da hat die Schweiz mittlerweile London die Führungsposition streitig gemacht. Der Rohstoffhandel ist sehr kapitalintensiv und ein Großteil des Handels wird über Derivate, also Finanzkontrakte, abgewickelt, weshalb die Nähe zu einem Finanzplatz und entsprechender Finanzierungskompetenz von großer wechselseitiger Bedeutung ist.

Wird es regionale Unterschiede geben? Wird sich zum Beispiel das Tessin als regionaler Finanzplatz halten können, oder werden es nur die großen Standorte wie Zürich oder Genf schaffen?

Zürich und Genf zählen jeweils zu den zehn bedeutendsten Finanzplätzen der Welt, das wird sich auch in absehbarer Zukunft nicht ändern. Aber auch das Tessin wird sich als Finanzplatz behaupten.

Die Entstehung des Finanzplatzes Tessin ist natürlich steuerlich motiviert gewesen. Durch die Nähe zu Italien und das Schweizer Bankgeheimnis floss ins Tessin viel Kapital wohlhabender Italiener, als Italien in den 60er Jahren Vermögende und Unternehmer stärker besteuern wollte. Doch heute spielen solche Motive keine Rolle mehr. Heute arbeiten hier mehr als 10.000 spezialisierte Finanzfachkräfte – eine enorme Ansammlung über Jahre erworbener Kompetenz. Lugano ist mittlerweile neben Genf und Zug ein wichtiger Handelsplatz für viele Rohstoffe wie Metalle, Kohle und zum Teil auch Agrarrohstoffe.

Was bedeutet die „Weißgeld“-Strategie für die unabhängigen Vermögensverwalter in der Schweiz? Wie reagieren diese auf die Entwicklung der steuerlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen?

Die „Weißgeld“-Strategie zielt ja auf die Anleger und betrifft damit nur mittelbar die Vermögensverwalter. Hier dürfte die EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Mifid II), die insbesondere Schweizer Vermögensverwaltern den Zugang zum EU-Markt erschwert, stärkere Folgen haben. Überhaupt senkt die zunehmende Regulierungsdichte mit FATCA, FIDLEG, AIA und so weiter die Profitabilität der Vermögensverwaltung als Geschäftsmodell. Wer sich in diesem Umfeld behaupten will, muss die notwendigen Strukturen und Prozesse etablieren, um diesen hohen Anforderungen zu genügen. Das lohnt sich aber in der Regel nur für größere Häuser mit entsprechend hohen Anlagevolumen. Für kleinere Häuser könnten Zusammenschlüsse oder Kooperationen eine Lösung sein.

Wie wird sich der Markt der unabhängigen Vermögensverwalter in der Schweiz verändern?

Wir glauben, dass sich der Markt konsolidieren wird. Das Marktvolumen wird sein Niveau in etwa halten, aber es werden weniger, dafür noch professionellere und zum Teil auch spezialisiertere Akteure am Markt sein. Sicher wird der Wettbewerb – auch international – zunehmen. Profillose Vermögensverwaltung nach dem Motto „bloß keine Steuern zahlen“ ist endgültig passé. Die neue Markttransparenz, die Regulierung und der zunehmende Margendruck werden zu einer Auslese führen. Nur wer nachhaltig Kompetenz im Asset Management beweist und sich auch den Kunden und ihren Bedürfnisse zuwendet, wird am künftigen Erfolg des Finanzplatzes Schweiz teilhaben.

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