Serie: Alternatives Portfoliomanagement Ist „nicht grundsätzlich falsch“ denn gut genug?

Markus Schuller von Panthera Solutions

Markus Schuller von Panthera Solutions

Wie im ersten Teil behandelt, basieren traditionelle Investment-Paradigmen auf den folgenden Grundsätzen:

1) Es gibt einen positiven Trade-off zwischen Risiko und Ertrag über alle Finanzanlagen hinweg. Assets mit höherem Risiko bieten einen höheren Erwartungswert.

2) Der Trade-off verläuft linear, wobei das Risiko am besten mit dem Equity „Beta“ und die Überrendite mit „Alpha“ gemessen wird.

3) Attraktive Investmentrenditen können durch passives, Long-only Anlageverhalten in einem stark diversifizierten, nach Marktkapitalisierung gewichteten Portfolio von Aktieninvestments erzielt werden.

4) Strategische Asset-Allokation basierend auf Diversifikation der Asset-Klassen repräsentiert die mit Abstand wichtigste Entscheidung in der Portfoliokonstruktion, damit es dem Risikoprofil und den langfristigen Anlagezielen des Investors angepasst werden kann.

5) Alle Investoren sollten Aktien als langfristiges Investment halten.

In Summe bilden diese fünf Paradigmen die Grundlage für die gegenwärtige Investment-Management-Industrie. Sie beeinflussen eine Vielzahl von Produkten und Services, die von professionellen Portfoliomanagern, Investment Consultants und Finanzberatern angeboten werden.

Das Problem der Annahmen

Wie alle Theorien sind auch jene fünf Aussagen als Annäherung an eine komplexe Realität zu verstehen. Deren Zweckmäßigkeit und Richtigkeit hängen von einer Vielzahl von Annahmen hinsichtlich des Risiko-Ertrags-Verhältnisses ab. Auszugsweise angeführt:

A) Das Verhältnis ist linear
B) Das Verhältnis ist statisch im Zeitverlauf
C) Die das Verhältnis determinierenden Parameter können akkurat geschätzt werden
D) Investoren besitzen rationale Erwartungen
E) Asset-Renditen sind „stationary“, zum Beispiel bleibt deren gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilung im Zeitverlauf konstant
F) Märkte sind effizient

Jede einzelne dieser Annahmen kann theoretisch, empirisch und experimentell in Frage gestellt werden. Und doch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass alle theoretischen Modelle per Definition Abstraktionen auf der Basis von vereinfachenden Annahmen darstellen.

Die relevante Frage ist also nicht, ob diese Annahmen wahr sind und dauerhaft einem Realitätscheck standhalten – tun sie nicht. Die relevante Frage ist, ob die von den vereinfachenden Annahmen verursachten Schätzfehler gering genug sind, um sie als vernachlässigbar abzulegen.

Bis Anfang des vergangenen Jahrzehnts ging die Lehrmeinung noch davon aus, dass sie zumindest einen guten Ausgangspunkt darstellen (Meredith Beechy, 2000), der nicht grundsätzlich falsch ist (Burton Malkiel, 2003).

Ist „nicht grundsätzlich falsch“ gut genug für eine Industrie, die Billionen Euro weltweit allokiert?

Andrew Lo, Professor am MIT Sloan School of Management, gab 2004 mit seinem Aufsatz “The Adaptive Markets Hypothesis: Market Efficiency from an Evolutionary Perspective” eine klare Antwort. Um sie mit seinen Worten zu formulieren: "The old model is not wrong, it's just incomplete."

Lo führt dankenswerterweise ein realistisches, evolutionsbasierendes Menschenbild als Grundannahme für Marktteilnehmer ein. Er nennt sie die „Adaptive Market Hypothesis“ (AMH).

Die ersten Gehversuche auf diesem Gebiet wurden lange vor Lo von Josef Schumpeter und Gary Becker gewagt, doch Lo´s Kombination aus Neurowissenschaft, Evolution und Finanzökonometrie ist originell und hat weitreichende Konsequenzen für das Portfoliomanagement.

Welche AMH-Implikationen ergeben sich für die Asset Allokation?

• eine Beziehung zwischen Risikound Ertrag existiert. Diese ist aber im Zeitverlauf instabil.
• Märkte sind nicht immer rational, sondern pendeln zwischen Angst und Gier sowie Rationalität.
• Arbitrage-Möglichkeiten existieren, aber Märkte passen sich an.
• Investmentstrategien ‘wax & wane‘, sie kommen und gehen also. Long-only ist gefährlich.
• Der Primärfokus liegt auf dem Überleben. Profit und Nutzenmaximierung sind sekundär.
• Der Schlüssel zum Überleben liegt in der Innovation. Aufgrund der instabilen Risiko-Ertrags-Beziehung ist eine Anpassung bei wechselnden Marktbedingungen notwendig, will man einen konstanten Erwartungswert erzielen.

Extrahieren wir nun aus den AMH-Implikationen praktische Allokationshilfen. Andrew Lo selbst nennt die Folgenden auf einer CFA-Konferenz (2010):

• Long/Short-Strategien verwenden, Long-only verringern
• Buy & Hold-Strategien meiden
• Diversifikation über mehrere Asset-Klassen und Strategien
• Passives Investieren bevorzugen
• Normalerweise zahlt sich Risiko aus. In Krisenzeiten werden Anleger aber durch eine sich ausweitendes Ungleichgewicht der Risiko-Ertrags-Beziehung dafür bestraft
•  Alphas werden zu multiplen Betas, sprich Alpha existiert lediglich temporär

Ein Einsatz der genannten Allokationshilfen hätte vielen Portfoliomanagern die große Rezession der Finanzbranche seit 2007 unbeschadeter überstehen lassen.

Lesson learned?

Die Zeiten sollten vorbei sein, in denen der Einsatz von neuen, fundierten, aber nicht dem Mainstream entnommenen Erkenntnissen als Karriererisiko galt. Bisher ein Wunschdenken.

Die dreiteilige Serie zum Thema „Alternatives Portfoliomanagement“ wird kommende Woche fortgesetzt.

Bereits auf www.private-banking-magazin.de erschienen ist der Artikel „Die Underperformance von Publikumsfonds ist seit Mitte des 20. Jahrhunderts stabil“

Für Interessierte: Den weiteren Ausführungen von Markus Schuller zum Thema alternatives Portfoliomanagement können Interessierte am 14.-16. März 2012 folgen. Dann veranstaltet Schuller einen Workshop in Wien zusammen mit der Wiener Börse Akademie und dem Management Forum. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Autor: Markus Schuller ist Gründer von Panthera Solutions, einem Beratungsunternehmen für strategische Asset Allocation im Fürstentum Monaco. Zuvor war er über zehn Jahre als Asset Manager und Produktentwickler bei Banken und Asset Managern tätig. Er kommentiert für diverse Qualitätsmedien den Markt und referiert regelmäßig auf Konferenzen zum Thema Asset Allocation.

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